Corona-Eltern in der Krise sind kein politisches Versagen, sondern Kalkül
Ein Gastbeitrag von  Dr. Franziska Briest, Wissenschaftlerin an der Charité, Kommunalpolitikerin, Autorin und Mutter

Politisch tolerierter Ausnahmezustand

Ausnahmezustand. Besser kann man die letzten dreizehn Wochen nicht beschreiben.

Dreizehn Wochen, in denen wir anfänglich jeden Tag auf Infektionszahlen geachtet, uns über Hamsterkäufe beschwert und an das Tragen von Masken gewöhnt haben.

Viele von uns dachten zum ersten Mal darüber nach, welche Berufsgruppen unser tägliches Leben tatsächlich am Laufen halten. Wir fuhren unsere sozialen Kontakte auf ein Minimum zurück, lernten fünf verschiedene Videokonferenztools zu bedienen und verabschiedeten uns wehmütig von geplanten Urlauben, Ausflügen, Sportveranstaltungen und Kulturveranstaltungen.

Wir blieben zu Hause, erklärten schriftliche Multiplikation, bauten Legotürme, schnitten Haare, kochten, putzen, trösteten, schlichteten Streit und ersetzten Kindergeburtstagspartygäste zwischen Videokonferenzen und Abgabefristen.

Letztlich gab es eine große Unbekannte – und zunächst ergab ein schneller Shutdown auf allen Ebenen auch tatsächlich Sinn.

In den Wochen der vollständigen Isolation und mit Beginn der Öffnungen dämmerte es dann aber Vielen, dass nicht nur die Regeln zum Kontaktverbot einen zwangsläufigen Rückzug auf die traditionelle Kernfamilie erzwang und damit Familienkonstellationen und Rollenbilder reaktivierte, die die Realität vieler moderner Familien völlig ignorierte. Auch die Prioritäten der Lockerungen spiegelten eher die wirtschaftspolitische Gewichtung der dahinter stehenden Stakeholder wider, als dass sie irgendeiner Form von gesundheits-, sozial- oder bildungspolitischer Evidenz zu folgen schienen.

Mehr als ein Bauchgefühl

Schauen wir uns einmal ein paar Zahlen an: laut einer Studie gaben 54 Prozent der befragten Frauen, aber nur 12 Prozent der Männer an, den überwiegenden Teil der anfallenden Kinderbetreuung während der Pandemie zu übernehmen[1].Gleichzeitig sahen die Kontaktbeschränkungen sechs Wochen lang vor, dass sich maximal zwei Personen aus unterschiedlichen Haushalten treffen durften. Damit wurden für betreuungspflichtige Kinder und die überwiegend weiblichen Betreuungspersonen jegliche Sozialkontakte außerhalb der Familie über Wochen unterbunden.

Familienleben in Familienkonstellationen die nicht auf einem Zusammenleben zweier erwachsener Personen beruhen, z. B. bei Patchwork- und Scheidungsfamilien[2], war damit unmöglich geworden. Aber auch wichtige soziale Interaktion, und damit Unterstützungsleistungen wie die effektive Konsultation von Dritten, z. B. in Fällen häuslicher Gewalt, wurde zwangsläufig auf null herunter gefahren, bei Wegfall aller professionellen Präsenzangebote von Beratungsstellen.

Gleichzeitig sind Frauen auch beruflich überproportional von den Folgen der Pandemie betroffen. Sie sind im Zuge der Krise häufiger, vor allem im Einzelhandel, Gastgewerbe und informellen Sektor, von Kündigung und Arbeitszeitreduktion betroffen und erhielten deutlich seltener eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes[1]. Auch die zusätzlich anfallende Sorgearbeit führt vor allem bei Frauen zu Arbeitszeitreduktionen: Gut ein Viertel aller befragten Frauen mit Kindern bis zu 14 Jahren, aber nur ein Sechstel der befragten Männer mussten ihre Arbeitszeit wegen der Betreuungssituation reduzieren[1], Mütter werden also nicht nur überproportional zur Aufgabe ihrer Sozialkontakte, sondern auch in eine verstärkte finanzielle Abhängigkeit getrieben. Man möchte glatt mit Frauengold auf die Renaissance der Fünfzigerjahremütter anstoßen!

Besonders prekär ist die Situation bei Alleinerziehenden: hier sind über 80 Prozent weiblich[3] – ein Wegfall von Betreuung, Unterstützung durch Dritte und Einkommensverluste treffen somit überproportional Frauen und Kinder. Dazu kommen für die im Homeoffice tätigen Eltern, die Kinder betreuen müssen, der Wegfall wichtiger Projekte und die damit einhergehenden verpassten Karrierechancen – auch hier sind überproportional Frauen von der ungleichen Aufteilung betroffen. Und selbst bei paritätischer Arbeitsteilung mit dem Partner oder der Partnerin: beruflich stehen Mütter in Konkurrenz zu Kinderlosen und zu Männern in Familien mit klassischer Rollenverteilung.

Die Öffnung von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen hätte unter Aspekten der Gleichberechtigung oberste Priorität sein müssen!

Wenn man sich nun im Gegenzug zu den Belastungen die Reihenfolge der Entlastungen anschaut, klaffen grundlegende Notwendigkeiten und die politische Schwerpunktsetzung von Bund und Ländern unter vorgeschobener Berufung auf das Vorsorgeprinzip auseinander:

Am 20. April öffnet der erste Teil des Einzelhandels wieder, erst danach öffnen Spielplätze, Museen, Zoos und Kirchen, am 4. Mai beginnen die ersten Bundesländer die Kontaktbeschränkungen auf fünf Personen aus zwei Haushalten auszuweiten, die Friseure öffnen wieder. Während die Bundesliga der Männer (nicht die der Frauen!) am 16. Mai und passend dazu die Biergärten in Bayern am 18. Mai öffnen, gefolgt von den Innenbereichen der Gastronomie am 25. Mai[4][5], soll die Notbetreuung in den Bayrischen Kitas erst ab 15. Juni ausgeweitet[6]und ein Präsenzunterricht für alle Klassenstufen an den Schulen wieder aufgenommen werden[7].

Fehlende Evidenz

Dabei fehlt dem strengen Festhalten an Schul- und Kita-Schließungen zumindest bereits seit einigen Wochen die wissenschaftliche Evidenz, vor allem vor dem Hintergrund, dass allen übrigen Lockerungsmaßnahmen die Beweislast nicht auferlegt wird. Mit dem Beweisen ist das nämlich so eine Sache – in der Regel ist es deutlich leichter, Existenz von etwas nachzuweisen (eben zum Beispiel, dass Kinder Virenschleudern sind), als das Nicht-Vorhandensein.

Aus ebenjenem Grund liegt die juristische Beweislast in der Regel auch nicht bei den Angeklagten und sind klinische Studien selbst unter kontrollierten Bedingungen aufwendig und anspruchsvoll. Ich vergleiche das gerne mit dem Nachweis, dass es das Ungeheuer von Loch Ness nicht gibt: zum Beweis des Vorhandenseins reichte das Einfangen, vielleicht DNA-Proben oder ein überzeugendes Foto, für den Beweis des Gegenteils müsste man den See leerpumpen und selbst dann beweist man den Fakt gerade einmal für die Gegenwart.

Ein ähnliches Problem zeigt sich im Übrigen in der kontrovers diskutierten Studie von Prof. Christian Drosten und seinen Kolleginnen und Kollegen[8]: das Team konnte nicht nachweisen, dass sich die Viruslast bei Kindern von der Erwachsener signifikant unterscheidet und leitet daraus ab, dass Kinder ein ähnliches Infektionsrisiko wie Erwachsene haben könnten. Da aber die Aussagekraft dieser Berechnungen von der Wahl der statistischen Methode abhängt (manche Methoden sind strenger und verwerfen eine Hypothese eher als andere) bedeutet dies nicht, dass damit bewiesen wurde, die Viruslast sei nicht unterschiedlich.

Wissenschaftlich gesehen ist das Versagen eines Tests nicht gleichzusetzen mit dem Beweis des Gegenteils. Bloß, weil etwas nicht als ungleich bewiesen werden kann, ist es noch lange nicht gleich, solange nicht die Gleichheit bewiesen wurde. Es gibt also auch keinen Grund anzunehmen, dass Kinder Virenschleudern sind, weil das Gegenteil bisher (aufgrund von geringen Fallzahlen und schlechter Vergleichbarkeit der verfügbaren Daten) noch nicht belegt werden konnte. Eine Aussage, die man über Erwachsene übrigens relativ unproblematisch treffen könnte und trotzdem versucht man, zu differenzieren. Und ob Abstände so viel weniger von Kindern eingehalten werden als von Erwachsenen, daran lassen jüngste Bilder von Bundesligaspielen, Demonstrationen und Coronaparties tatsächlich zweifeln.

Um eines klarzustellen: die Schließungen der Kinderbetreuungseinrichtung und Schulen war ein richtiger Schritt zu einem Zeitpunkt, an dem Information zu Übertragungswegen fehlte und die Ausbreitung in Deutschland eine Geschwindigkeit erreicht hatte, bei der Containment, also Maßnahmen, die der Nachverfolgung und Unterbrechung von Infektionsketten dienen, nicht mehr leistbar war. Dass der Effekt von Schließungen letztlich vielleicht vor allem auf einem Verbannen von circa elf Millionen Eltern ins Homehoffice beruht und dass bekannte infektionsbiologische Mechanismen, z.B. aus Grippeepidemien, nicht auf Sars-Cov-2 übertragbar sein könnten, wäre zumindest aber bereits Anfang April aufgrund der vorliegenden Literatur diskussionswürdig gewesen[9].

Seit Mitte April häufen sich die Daten aus aller Welt, die dafür sprechen, dass junge Kinder sich zwar mit dem Virus infizieren können, aber es möglichweise doch nicht in einem Maße weiter geben wie Erwachsene und Schulschließungen bei älteren Kindern womöglich sogar kontraproduktiv sein könnten, weil sie dann mehr unkontrollierte Kontakte zu anderen Menschen haben[10][11][12][13][14][15]16].Vermutlich werden wir erst in einigen Monaten genaue Schlüsse ziehen können und ganz sicher wird es Infektionsfälle geben, die mit Schulbesuchen in Verbindung stehen.

Solche Fälle wird es in jedem Bereich des täglichen Lebens geben und das Ziel muss immer sein, die Lage kontrollierbar zu halten. Und dennoch ist zynisch zu behaupten, dass ausgerechnet die Wiederaufnahme des Bildungsbetriebes, der irgendwie zwischen Tattoostudios und Bordellen eingetaktet wird, ein riskantes Experiment sei, angesichts der vielen beruflichen, psychologischen und bildungspolitischen Unbekannten die sich für Kinder und ihre Familien aus dem langen Zögern ergeben haben.

Verheerende Kommunikation

Die Prioritätensetzung bei Schulen und Kitas (first to close, last to open) übermittelt nun zwei verheerende Botschaften. Erstens: Eltern sind Berufstätige zweiter Klasse. Wenn die Sicherung der wirtschaftlichen Stabilität ein zentraler Punkt der Coronamaßnahmen war – wieso versetzt man dann mehr als elf Millionen Menschen in den Standby-Modus, während die Wirtschaft hochgefahren wird? Übersetzt auf die Zahlen, wer derzeit die Kinderbetreuung abfängt, bedeutet das zugespitzt: Mütter sind Berufstätige zweiter Klasse.

Und diese Aussage ist gar nicht so abwegig angesichts einer gesellschaftlichen Realität, in der Frauen immer noch zu großen Teilen Teilzeit arbeiten, sobald die Familie gegründet ist und kinderlose Frauen mit Anfang dreißig ungern eingestellt werden. Hier wurde lediglich ein Narrativ, gegen das Feministinnen und Feministen seit Jahrzehnten kämpfen, unreflektiert in politische Entscheidungen eingegossen.

Die zweite Botschaft ist: Männer geben weiterhin den Ton an. Sie dominieren die beratenden und entscheidenden Gremien und sie profitieren vom Ergebnis. Wie kann eine andere Perspektive, als die Perspektive älterer Männer in Entscheidungsprozesse einbezogen werden, wenn ältere Männer älteren Männern zu Entscheidungen raten, die älteren Männern nutzen? Sowohl die öffentliche wissenschaftliche Debatte, als auch die politischen Beratungen (sei es in den männerdominierten Gremien der Leopoldina oder des Coronakabinetts[17], in Talkshows, Podcasts, Zeitungsartikeln oder RKI-Pressekonferenzen) werden von Männern determiniert.

Und wenn dann der Fokus eben auf BMW, Bundesliga und Biergarten liegt, mag das zunächst wie ein Klischee klingen. Einem hochangesehenen Professor wird niemand hedonistische Beweggründe unterstellen. Letztlich suchen sich aber politische Akteure aus der Fülle der nicht abgeschlossenen wissenschaftlichen Debatten die passenden Argumente raus und multiplizieren sie. Diese sind dann nur schwer wieder aus der Welt zu bekommen, wie man am widerlegten Framing „Coronavirusschleuder Kind“ unschwer nachvollziehen kann.  Und am Ende bedienen sie damit eine Klientel, die sehr wohl gut damit leben kann, wenn junge Frauen ihre Karrieren zurückstellen müssen, solange nur wieder die Bundesliga im Fernsehen läuft.

Wieso aber das Ganze?

Wenn wir zusammen fassen, stellen wir fest, dass die Verlierer all dieser Entscheidungen Familien sind, die vom althergebrachten Bild abweichen, Frauen, die wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen und die Kinder, die mit diesem modernen Familienbild aufwachsen.

Dem gegenüber stehen mit den Gremien konservativer Institutionen und einer konservativen Bundesregierung Vertreter klassische reaktionäre Kräfte, die Privilegien zu sichern haben. Besonders perfide wird das Ganze unter Berücksichtigung der Tatsache, dass alle Corona-Maßnahmen vor allem die Risikogruppen schützen sollen, unter denen sich allein aus demografischen Gründen ein hoher Anteil an Menschen mit konservativem Wertekatalog findet.

Daher kann es kein Versehen sein, dass ebenjene, die für gesellschaftliche Veränderungen stehen, praktisch im Homeoffice vergessen wurden.

Daher ist es paternalistisch, wenn uns von älteren Generationen gesagt wird, wir sollen nicht jammern.

Daher steckt eine politische Agenda dahinter, wenn die Bundesregierung mit Wirtschaftsverbänden verhandelt, aber die Verantwortung für „Kinder und Gedöns“ an die Länder und Kommunen weiterreicht.

Daher müssen wir diese Narrative sichtbar machen und umwandeln!

Wenn wir uns über die Unmöglichkeit der Vereinbarkeit von Homeoffice und Kinderbetreuung äußern, ist das kein Jammern, sondern das Aufzeigen einer Ausnahmesituation, die niemand nur deshalb runterspielen kann, weil er in den 1950ern auch mal ein Kind ohne Kita groß gezogen hat. Und auf deren Behebung oder Kompensation wir bestehen.

Wenn wir mal wieder an die Gläserne Decke stoßen, die für Mütter noch tiefer hängt als für andere Frauen, müssen wir diese anprangern, anstatt uns dafür zu entschuldigen, dass wir gerade neben unserem Jobs noch die Qualifikation zu Erzieherinnen, Lehrerinnen, Köchinnen und vielem mehr erwerben.

Und wir müssen politische Verantwortung dafür übernehmen, dass Frauen und Kinder in dieser Gesellschaft sichtbarer werden. Das tun wir am besten indem wir Frauen und Kindern empowern und beteiligen wo es uns möglich ist, anstatt in Konkurrenz miteinander zu treten. Sonst teilen wir weiterhin nur das kleine Stückchen Macht unter uns auf, das andere uns zugestehen.

Foto & Text Copyright bei Dr. Franziska Briest

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1 Bettina Kohlrausch und Aline Zucco, Hans-Böckler-Stiftung, Policy Brief WSI, Nr.40, 05/2020
2 Geschwister, nicht verwandte Elternteile und Bezugspersonen
3  Statistisches Bundesamt (Destatis), Alleinerziehende, Ergebnisse des Mikrozensus 2017, 2018
4.  https://www.mdr.de/nachrichten/politik/corona-chronik-chronologie-coronavirus-100.html
5.  https://www.br.de/radio/bayern1/gaststaetten-bayern-corona-100.html
6. https://www.stmas.bayern.de/coronavirus-info/corona-kindertagesbetreuung.php
7. https://www.km.bayern.de/allgemein/meldung/6964/so-geht-es-an-den-schulen-in-bayern-weiter.html
8. Jones TC, Mühlemann B, et al. An analysis of SARS-CoV-2 viral load by patient age. medRxiv 2020.06.08.20125484; doi: https://doi.org/10.1101/2020.06.08.20125484
9. Viner RM, Russell SJ, Croker H, et al. School closure and management practices during coronavirus outbreaks including COVID-19: a rapid systematic review. Lancet Child Adolesc Health. 2020;4(5):397‐404. doi:10.1016/S2352-4642(20)30095-X
10  Zhu Y, Bloxham CJ, Hulme KD, Sinclair JE, Tong ZWM, Steele LE, et al. Children are unlikely to have been the primary source of household SARS- CoV-2 infections. medRxiv. 2020:2020.03.26.20044826.
11  Danis K, Epaulard O, Bénet T, Gaymard A, Campoy S, Bothelo-Nevers E, et al. Cluster of coronavirus disease 2019 (Covid-19) in the French Alps, 2020. Clinical Infectious Diseases. 2020.
12  Gudbjartsson DF, Helgason A, Jonsson H, Magnusson OT, Melsted P, Norddahl GL, et al. Spread of SARS-CoV-2 in the Icelandic Population. New England Journal of Medicine. 2020.
13 http://ncirs.org.au/covid-19-in-schools
14  National Institute for Public Health and the Environment. Children and COVID- 19. https://www.rivm.nl/en/novel-coronavirus-covid-19/children-and-covid-19 : RIVM 2020.
15  Desmet S, Ekinci E, et al. No SARS-CoV-2 carriage observed in children attending daycare centers during the first weeks of the epidemic in Belgium. medRxiv 2020.05.13.20095190; doi: https://doi.org/10.1101/2020.05.13.20095190
16 https://www.thelocal.no/20200508/closing-schools-may-made-virus-spread-faster-norway-health-agency
17 Drucksache 19/19525, Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode
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SOS – Eine große und lange Krankheitswelle mit Zwillingen

Es ist für mich das größte Glück eine Zwillingsmama zu sein. Für mich sind Zwillinge einfach besondere Kinder. Ich genieße es sehr meinen Kindern beim gemeinsamen Spielen zuzusehen. Immer wieder bin ich gerührt, wenn das unsichtbare Band, welches auch meine Zwillingskinder miteinander verbindet, für mich als Mama sichtbar wird.

Diese und weitere schöne Momente aus meinem Mama-Alltag lassen mich immer wieder auch die stressigen Phasen vergessen, die die Erziehung zwei gleichaltriger Kinder mit sich bringen. Diese Phasen kennen wir Mamas doch alle oder? Überhaupt ist das Wort PHASE das Wort schlechthin in unserem Mama-Wörterschatz, wie ich persönlich finde.

Dabei frage ich mich, wie oft sich unsere Kinder in den ersten Jahren in irgendeiner Phase befinden?! Das Kind zahnt, befindet sich im Wachstum oder hat irgendeinen Entwicklungsschub, und selbstverständlich kennen wir inzwischen sein trotziges Verhalten nur zu gut. Als Savannah und Silas den ersten richtigen Schub hatten, und das zeitgleich wie es oft bei Zwillingen der Fall ist, war ich nervlich ziemlich am Ende. In dieser Phase konnte ich meinen Kindern einfach nichts recht machen und die Nächte waren das reinste Desaster. Ich lernte die Schattenseiten der Mama-Welt kennen und versuchte mich mit mehr Koffein am Tag halbwegs munter zu halten. Dabei stellte sich eine Art Routine ein und die wiederkehrenden Phasen meiner Kinder wurden fast schon zur Normalität in meiner Mama-Welt. Schließlich durchlief auch ich als Mama diverse Phasen und war nicht immer gut gelaunt.

Meine Mama-Welt stand völlig auf den Kopf

Als jedoch das erste Mal eines meiner Kinder erkrankte, stellte sich meine Mama-Welt völlig auf den Kopf. Darauf war ich einfach nicht vorbereitet! Niemand hatte mir gesagt, wie du dich als Mama von einem kranken Kind fühlst. Immer wieder sprachen die Mütter um mich herum von den Phasen ihrer Kinder, und ja…auch mal, dass das Kind krank sei, aber NIEMAND sprach über seine Gefühle. Niemand sagte zu mir, welches lähmendes und betäubendes Gefühl von einem Besitz nimmt, wenn man seinem kranken Kind dabei zusehen muss, wie es leidet. Wie hilflos man sich als Mama fühlt.

Um mein Mama-Herz hatte sich ein großer dunkler Schatten gelegt und ich war so unglaublich traurig. Meine Gedanken drehten sich um mein Kind. Es musste ihm einfach besser gehen. So versuchte ich Silas ein Lächeln in sein Gesicht zu zaubern, denn ich bildete mir ein, dass mein kleiner Schatz dann sicherlich wieder auf den Weg der Besserung sei. Das gelang mir jedoch nicht und ich versuchte das inzwischen große Wirrwarr  in meinem Kopf zu ordnen. Dabei sagte ich mir, es ist nur Fieber, Husten und Schnupfen. Also im Grunde genommen nichts Dramatisches, und es würde ihm sicherlich ganz bald wieder besser gehen. Dennoch war ich ziemlich niedergeschlagen und fühlte eine große Leere in mir.

Warum bloß ging es ihm so schlecht???  Das konnte ich nicht akzeptieren und ignorierte die Tatsache, dass auch ich mich bei einer starken Erkältung oder auch Grippe ziemlich mies fühlte. Die Folge war, dass ich meinem Kind mit Essen und Trinken hinterher lief. Würde er einen großen Bissen zu sich nehmen und ausreichend trinken, dann wäre alles halb so schlimm, und sei als ein gutes Zeichen zu deuten.

Tja nur es läuft nicht immer alles nach dem Mama-Wunschkonzert und unsere Kinder werden auf Knopfdruck wieder gesund und munter.

SOS – Eine große und lange Krankheitswelle mit Zwillingen

Als meine Zwillinge das erste Mal gleichzeitig erkrankten, verdunkelte sich meine Mama-Welt schlagartig. Bis dato hatte ich keine Ahnung, was für ein Chaos ausbrechen kann, wenn das passiert. Nichts schien mehr zu funktionieren, auch wenn ich versuchte unseren Haushalt halbwegs auf Vordermann zu bringen. Ich hatte einfach nicht genügend Hände, um auf der einen Seite die Wohnung zu putzen, und auf der anderen Seite meine Kinder in den Armen zu halten. Jeder für sich forderte seine Mama-Kuschelzeit ein und bei kranken Kindern kann das schnell einen ganzen Tag bedeuten. So war ich für Savannah und Silas Tag und Nacht zur Seite und tat mein Bestes.

Nicht jedoch für mich! Mein Körper lief auch Hochtouren, obwohl ich mich sehr schlechte ernährte, denn ich aß fast nur noch Süßigkeiten. Abends, als die Zwillinge schliefen, griff ich oftmals erschrocken zum Wasserglas, denn ich stellte fest, dass eine Tasse Kaffee am Morgen bis dato die einzig eingenommene Flüssigkeit war. Das war ganz und gar nicht vernünftig, aber ich funktionierte und nur das zählte für mich als Mama. Es gab also kein  SOS, der Ruf nach Hilfe. Dieser Gedanke kam mir gar nicht erst in den Sinn. Mein Mann war selbständig und meine Eltern eben nicht mehr die Jüngsten. Irgendwie kam ich schon alleine klar. Als Zwillingsmama hat man ohnehin eine unglaubliche Mama-Power! Das stand außer Frage. Selbst als die lange Krankheitswelle um die Weihnachtszeit herum nicht abebben wollte, stand ich als Zwillingsmama eisern in meiner Position und strotze dieser Welle nur so entgegen.

SOS – Als Mama darfst du einfach nicht krank werden

Doch das passierte!  Es fing an mit Halsschmerzen und Schüttelfrost. Wenige Tage später hatte ich die Mandelentzündung meines Lebens. Alles war vereitert und ich hatte überall Risse und Blasen im Mund- und Rachenraum und wahnsinnige Schmerzen. Silas hatte erst eine starke Herpangina und eine Woche später einen zusätzlichen Atemwegsinfekt, so dass ich mich sicherlich bei ihm angesteckt hatte. Der Gedanke, selbst zum Arzt zu gehen, kam mir zwar in den Sinn, aber dann hätte ich SOS rufen müssen, damit jemand auf Savannah und Silas aufpasst, und das wollte ich nicht. Heute kann ich sagen, dass ich wirklich schön blöd war. Die Mandelentzündung bekam ich tatsächlich in den Griff, indem ich täglich mehrmals mit Meersalz gurgelte, was gerade bei den offenen Stellen im Mund- und Rachenraum sehr schmerzhaft war, aber meine Mandeln in den Normalzustand zum Schrumpfen brachte. Kaum war das passiert, bekam ich Schüttelfrost. Nicht einmal am Tag, sondern ich hatte ca. drei bis vier starke Schübe am Tag und das Ganze fast eine Woche lang. An manchen Tagen war ich völlig lahm gelegt, da der Schüttelfrost mehr als zwei Stunden am Stück anhielt.

Es musste eine SOS her und mein Mann musste ein paar Kundentermine absagen, um bei den Kindern zu sein. Die waren natürlich immer noch krank. Es kam irgendwie ständig etwas hinzu und ich war einfach nur noch am Ende. So schleppte ich mich eines Morgens zum Hausarzt, der mir erst was auf pflanzlicher Basis verschreiben wollte. Der Witzbold! Hatte ich nicht gesagt, dass ich zwei kleine Kinder zu Hause habe, und funktionieren muss? Ich verlangte nach Antibiotika und tatsächlich nach drei Tagen wurde der Schüttelfrost allmählich weniger und mir ging es allmählich besser.

Als Mama hast du eine Arschkarte wenn…

An dieser Stelle tut es mir leid, wenn ich das jetzt so radikal sagen bzw. schreiben muss, aber mein Beitragsbild passt sooo gut zu diesem Post vom heutigen Tag. Es ist mir egal, wenn ich an dieser Stelle mit meiner Meinung ganz alleine da stehe. Vielleicht ist das aber doch nicht der Fall?

Wir Mamas leisten alle einen großartigen Job, aber nicht immer läuft unser Leben ganz nach Plan. Eben nicht nach dem Mama-Wunschkonzert.  Es gibt Momente in unserem Leben, wie eben diese.

Tagsüber können wir uns nicht erholen, da wir funktionieren müssen. Keiner macht unseren Haushalt macht, und all die anderen Dinge, die noch erledigt werden müssen. Nachts ist an ein Durchschlafen erst gar nicht zu denken. Immer wieder werden wir unsanft aus dem Schlaf gerissen. Morgens im Spiegel fühlen wir uns um Jahre gealtert und irgendwie zwickt die Hose um die Beine herum. Wir bekommen es einfach nicht in den Griff uns in diesem Ausnahmezustand halbwegs vernünftig zu ernähren.

In diesem Ausnahmezustand befinde ich mich übrigens seit mittlerweile 7 Wochen. Ich könnte heulen!

Savannah und Silas waren bisher selten krank, aber momentan ist einfach der Wurm drin. Am liebsten würde ich diesen Wurm augenblicklich zermatschen. Bloß weiß ich nicht, wo er sich genau versteckt.

Dieser Blogpost ist meine aktuelle Arschkarte und *sorrynotsorry. Hier kann ich nichts in Watte packen oder schön reden. Das überlasse ich gerne anderen Mamis, aber vielleicht spricht dir dieser Post gerade aus der Seele?

Eben, weil er einfach authentisch ist und die Schattenseiten des Mamasein auf den Punkt bringt. Das Wetter ist zur Zeit nämlich auch so eine Sache.  Es macht mich total mürbe und mein Mama-Gemüt ist sehr angeknackst.

Dieser Beitrag wurde übrigens mit X Unterbrechungen fertiggestellt. Seitdem die Kinder krank sind schlafen sie zu Mittag weniger gut. Das ist einfach kein Normalzustand. Wann bitte zieht diese Krankheitswelle von dannen?

Derweil verteile ich weiterhin Arschkarten – ja sogar auf Instagram.

Was macht ihr Schönes?

Eure