Corona – Wenn der Atem der Welt ganz leise wird
Es ist leise geworden. Beinahe so, als würde der Atem unserer Welt kaum noch vorhanden sein. So fühlt es sich für mich ganz persönlich an, UND DAS ist gespenstisch, surreal und beängstigend.
Auf öffentlichen Wegen sehe ich vereinzelt noch Menschen,
aber es ist, als würde niemand von uns so wirklich existieren. Schon gar nicht, der Mensch, der gerade an uns vorbeigeht. Sein und auch das eigene Verhalten sind auf ABSTAND programmiert. Peinlich ist man bemüht in einem großen Bogen auszuweichen und schaut dabei am besten auch direkt zu Boden.
Das ist „the best way“.
Das macht mich nachdenklich und ich bin auch etwas beunruhigt.
Wie groß ist die Angst vor einer möglichen Infektion von Covid 19 wohl für die meisten von uns? Würden wir noch dazu fähig sein im Notfall Erste Hilfe zu leisten? Was wäre, wenn auf diesen öffentlichen Wegen z. B. ein Mensch zusammenbricht? Was, wenn mir, meinem Mann oder den Kindern etwas passiert?
Beim Einkaufen stoße ich nicht nur vermehrt auf leere Regale,
sondern auch auf Menschen mit Atemschutzmasken und Schutzhandschuhen.
Sollte ich auch Schutzhandschuhe tragen?
Der gewohnte Gang zum Supermarkt fühlt sich auf einmal fremd an. Außerdem dauert jetzt alles doppelt so lang, da es entweder Einlasskontrollen gibt, Sicherheitsabstände einzuhalten sind, oder man die gewünschten Lebensmittel verstärkt suchen muss.
Ich bezahle mit meiner EC-Karte und bin froh, wenn ich wieder im Auto sitze. Die Kinder bleiben ab sofort, auch bei kleineren Einkäufen, die ich sonst zu Fuß mit ihnen erledigt habe, zu Hause bei ihrem Papa.
Ich laufe durch Geisterstädte,
so nenne ich sie ab sofort. Das öffentliche LEBEN dieser Städte ist verschwunden. Ich blicke in leere Schaufenster und Straßencafés. All diese Lebendigkeit fehlt mir so sehr!
Ich habe mich so auf den Sommer mit meinen Kindern gefreut und auf Zitronen- und Schokoeis aus unserer Lieblings-Eisdiele…
Mein Blick wandert zu den Wohnhäusern,
an denen ich vorbei laufe. Ich sehe niemanden am Fenster stehen oder auf dem Balkon sitzen. Das fällt mir verstärkt auf. Dabei frage ich mich, wie einsam die Menschen sind, die hier wohnen. Dabei denke ich vor allen Dingen an die Menschen, die niemanden haben. Die alleine sind. Die Menschen, die krank sind. Dazu zählen auch die psychisch labilen Menschen in unserer Gesellschaft. Dabei muss ich auch an meine Arbeitskollegin Karin denken, mit der ich vor meiner Elternzeit auf der gleichen Serviceeinheit bei der Justiz gearbeitet habe. An dem Tag, als Karin Selbstmord begangen hat, schrieb sie mir noch eine liebe Whats-App-Nachrich zu meinen Kindern. Karin litt jahrelang an Depressionen, aber sie war in Behandlung, und hatte soweit alles im Griff. Bis der Corona-Virus in unseren Medien beängstigend immer größer und präsenter wurde.
Zu Hause angekommen
laufe ich mit Savannah und Silas die Treppen nach oben in unserem Mehrfamilienhaus. Auf der ersten Etage angekommen fragen die Beiden nach Oma und Opa, denn meine Eltern – Risikogruppe – wohnen bei uns mit im Haus. Ein echter Mehrwert für uns als Familie. Ja, eigentlich…
Savannah und Silas haben einen festen Tag in der Woche, wo sie ihre Großeltern besuchen. Auch sonst sehen die Beiden Oma und Opa oftmals auf unserem Hof oder im Garten und laufen auf meine Eltern zu. Jetzt allerdings erfinde ich jeden Tag neue Ausreden, warum sie NICHT zu Oma und Opa dürfen. Diese Situation ist keineswegs schön und ist belastend. Savannah und Silas haben immer wieder mal eine Mini-Schnupfnase, so dass ich das Immunsystem meiner Eltern nicht belasten möchte.
Ich habe ein schlechtes Gewissen,
wenn Savannah und Silas wieder etwas länger Kinderstunde schauen dürfen. Es ist mir sonst aber nicht möglich den Haushalt etwas auf Vordermann zu bringen, oder auch das Essen für uns als Familie vorzubereiten. Hinzu kommt, dass ich immer wieder mein iPhone in Händen halte. Immer wieder schaue ich nach aktuellen News zum Corona Virus. Es ist wie eine Sucht.
Meine Gedanken, aber auch Sorgen und Ängste
sind in all diesen Tagen so geballt wie noch nie zuvor. Ich sorge mich um die Selbständigkeit meines Mannes. Schaue dabei auch über den Tellerrand und denke dabei an all die kleinen Solo-Künstler, Selbständigen und kleineren, mittelständischen Unternehmen. Wie lange können sie noch existieren? Stürzen wir alle geradewegs in eine große Wirtschaftskrise? Wie verbringen wir die nächsten Tage oder gar Wochen? Folgen neben dem Kontaktverbot noch Ausgangssperren? Was ist richtig, was ist falsch? Was soll ich überhaupt noch denken? Sind Fakten, wirkliche Fakten?
Angst, dass ich selbst, mein Mann oder unsere Kinder mit dem Corona Virus infiziert werden könnten, habe ich allerdings nicht. Ich denke, dass ist der einzige Weg Immunität zu erlangen, denn einen Impfstoff wird es so schnell nicht geben, und der Corona Virus wird auch nicht einfach so verschwinden. Vermutlich bleibt er, wie es auch die Influenza tut.
Angst habe ich jedoch vor der Präsenz der andauernden Corona-Krise und der damit verbundenen Berichterstattung in unseren Medien oder auf sozialen Netzwerken. Vor Panikmache und was diese Panik, aber auch Angst, mit uns Menschen machen wird, wenn nicht bald – auf welche Art und Weise auch immer – etwas Ruhe und Normalität einkehrt.
Die Lebendigkeit meiner Kinder und ihr Lachen
holt mich immer wieder zurück aus meinem Gedankenkarussell. Unser Familienleben ist gerade nicht mehr so bunt und lebendig, wie es noch vor wenigen Wochen war. Schließlich verbringen wir die meiste Zeit zu Hause. Das ist nicht immer einfach. Ich versuche meinen Kindern unseren Familien-Alltag in dieser Zeit so schön wie möglich zu gestalten, auch wenn ich spüre, dass ich jeden Tag mehr an meine Belastungsgrenze stoße.
Ich bin dankbar für jeden Tag, an dem die Sonne scheint, und wir in den Garten gehen können. Auch versuche ich positiv zu denken und mein inneres Gleichgewicht in Balance zu halten. Trinke viel Ingwertee, ein kleiner Booster, für mein Immunsystem neben viel Bewegung an der frischen Luft.
Das Leben muss weiter gehen oder?
Ps: Zu diesem Beitrag gibt es mal ein Schwarz-Weiß-Foto. Gerade ist mir einfach nach Schwarz-Weiß. Das Foto entstand vor wenigen Tagen in unserem Hausflur, als Savannah ihre Oma durch die Glasscheibe unserer Haustür sah.
Versucht ruhig und gelassen zu bleiben, in einer Situation, die wir momentan nicht ändern können.
Eure
Text und Fotografie © Nadja Moutevelidis